Titel
Hit, hatalom, humanizmus [Glaube, Macht, Humanismus]. Bártfa reformációja és művelődése Leonard Stöckel korában [Reformation und Kultur in Bartfeld zur Zeit Leonard Stöckels]


Autor(en)
Guitman, Barnabás
Erschienen
Anzahl Seiten
276 S.
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Juliane Brandt, München

In dem vorliegenden Werk rekonstruiert Barnabás Guitman wesentliche Stationen der Reformation in Bartfeld (ung. Bártfa, sl. Bardejov, heute Slowakei) als einem im 16. Jahrhundert höchst bedeutsamen Ort des oberungarischen Städtebundes, an dessen Entwicklung sich daher auch allgemeine Züge der Reformation jener Pentapolitana aus Bartfeld, Kaschau, Eperies, Leutschau und Zeben aufzeigen lassen. Der Verfasser unternimmt dabei eine Neusichtung der in den unterschiedlichsten Kontexten bereits in Druck erschienenen Quellen und deren Abgleich mit den Vorlagen, diskutiert bisherige Deutungen und erschließt bislang nicht gefundene und neue Texte, vor allem Briefe aus dem Stadtarchiv Bartfeld. Darauf gestützt kann er einige Korrekturen und Präzisierungen vornehmen und insbesondere Neues zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Confessio Pentapolitana beitragen. Dass Guitman sowohl Latein, Deutsch und Ungarisch als auch Slowakisch beherrscht, ist eine wichtige Voraussetzung für diese gründliche Zusammenschau und Diskussion der bislang vorliegenden Fachliteratur zum Thema. Im Anhang sind einzelne Feststellungen in tabellarischer Form zu finden, so unter anderem eine Aufstellung der „bekannten Briefe Wolfgang Schustels mit ungarländischem Bezug“, mit Quellenangabe bzw. Archivfundort und Regesten; eine chronologisch geordnete Liste der vergeblich nach Bartfeld gerufenen Pfarrer mit deren damaligen Wirkungsorten und den einschlägigen Quellenbelegen, das heißt weitgehend Archivfundorten; sowie eine chronologische Aufstellung aller „protestantischen Pfarrer in Bartfeld von den Anfängen bis 1560“, mit biografischen Eckdaten, Angaben zu ihren Studien, der Art ihres Dienstes in der Stadt einschließlich ihrer sprachlichen Zuständigkeit und dessen Dauer. Das Werk enthält ein Personen- und Ortsregister.

Guitmans knappe Monographie, deren eigentlicher Text vor Tabellen und Quellenübersetzungen nur 180 Seiten stark ist, bringt Neues insofern, als er zum einen die Aussparung religiöser Streitigkeiten in der neueren stadtgeschichtlichen Frühneuzeitforschung in Ungarn überwindet (vgl. die hervorragenden Arbeiten von István H. Németh) und sich zum anderen von der starken Orientierung der Reformationsforschung zu den freien königlichen Städten auf jeweils einzelne Persönlichkeiten löst. Stattdessen entwirft er mit Blick auf die Reformation in Bartfeld, in den oberungarischen Städten wie auch auf die geistige Entwicklung in der Region insgesamt ein Bild von Stadtbürgern, die in einem breiten, von ihm detailliert nachgezeichneten europäischen Netzwerk geistiger Beziehungen situiert sind. Von den oberungarischen Städten her gesehen knüpft dieses durchaus nicht erst damals entstandene Netzwerk der Intellektuellen an vorhandene Handelsbeziehungen, Familiennetzwerke, Heiratsbeziehungen und berufsbedingte Standortveränderungen an. In deren Verbindungen gliedern sich die Bildungsreisen in den Westen ein und ebenso die – erfolgreichen wie aus unterschiedlichsten Gründen gescheiterten – Einladungen an bereits berühmte Gelehrte und praktizierende Prediger. Nochmals vervielfältigt wurden diese Verflechtungen durch Lehrer-Schüler-Beziehungen, die an den verschiedenen Stationen entstanden, – zum Beispiel über Leonhard Cox in Leutschau und Kaschau, wo auch Leonard Stöckel bei ihm lernte und Bekanntschaft mit den Schriften des Erasmus machte – sowie durch die Melanchthon-Schüler in Breslau, wo viele oberungarische Studenten, so auch Stöckel, vor der Weiterreise nach Wittenberg nochmals die Stadtschule besuchten. Erfolgreiche und abgelehnte Rufe ins Bartfelder Pfarramt belegen die Reichweite des städtischen Netzwerkes (vgl. auch Tab. S. 187, neue Quellenfunde). Ähnlich eindrucksvoll sind die Wanderwege des späteren Bartfelder Lehrers Stöckel, der als „local“ geradezu eine Ausnahme war, über Breslau, Wittenberg und Eisleben oder die der in Eperies tätigen Valentin Eck (Lindau – Krakau – Eperies), Georg Wernher (Patschkau – Krakau-Eperies) und des Wittenberger Absolventen Mathias Lauterwald (vgl. auch Karte S. 77). Guitman hält es für zentral, dass als eine wesentliche kulturelle Bindekraft dieses Netzwerks die deutsche Sprache fungierte, die die Beteiligten von Haus aus mitbrachten oder aufgrund ihrer Bildungsgänge nutzten und pflegten. Die Bartfelder Schule wiederum erlebte, seit Stöckel sie leitete und ausbaute, einen deutlichen Aufschwung und wurde zum Anziehungspunkt nicht nur für Bürgersöhne aus den Orten des Städtebundes, sondern auch zum Schulort des protestantischen ungarischen Adels. Hier erwarb Georg Henisch erste Bildungsgrundlagen und auch von Stöckel erhielt Jacobus Heraclides Inspirationen für seinen – freilich schnell gescheiterten – Versuch, die Moldau in ein neuorganisiertes, protestantisches Staatswesen umzubauen.

Zu den wichtigen neuen Feststellungen gehört die Präzisierung des Todesdatums Valentin Ecks auf den 5. September 1556 aufgrund eines Konvoluts im Evangelischen Landesarchiv Budapest, in dem sich auch ein Kalender aus dem Besitz Ecks befindet. Unter dessen Bemerkungen zu den Zeitläufen hatte dann der vorherige Besitzer später den Tod Ecks vermerkt (S. 55). Guitman datiert einige Briefe, so auch von Wolfgang Schustel, um und schlägt, auch hinsichtlich der Deutung scheinbar nationaler Auseinandersetzungen, neue Lesarten vor. Neue Brieffunde im Bartfelder Archiv, so von Václav Mitmánek, von dem Prediger Adam, von Gregorius Meltzer, Semidalius, Simon Herko, Clemens Krosczienko, Johann Schaider, Salomon Scherer und anderen, tragen neue Einzelheiten zum lokalgeschichtlichen Wissen bei.

Besonders spannend sind Guitmans Ausführungen zu den Bekenntnissen aus dem Umkreis des Städtebundes, darunter der sogenannten Confessio Pentapolitana – deren früheste heute bekannte Textfassungen von 1559/60 und deren erster überlieferter Druck von 1613 stammen. Die Urheberschaft Stöckels hält der Verfasser mit Zoltán Csepregi aus philologischen Gründen für ausgeschlossen – zumal im Verhältnis von Pfarramt und Schule in Bartfeld eine ähnliche Arbeitsteilung wie jene von beiden ohnehin für mustergültig gehaltene in Wittenberg bestanden habe. Ein erstes, unter anderem von der Augsburger Confession geprägtes gemeinsames Bekenntnis hatten die Städte auf der Eperieser Synode von 1546 ausgearbeitet. Darauf dürfte auch die Schrift basiert haben, die sie nach 1549 den königlichen Kommissaren überreichten. Der Verfasser nimmt an, „dass die Artikel von 1549, die womöglich den Ausgangstext für die spätere Confessio Pentapolitana bildeten, von Radaschin selbst zusammengestellt wurden“ (S. 85). Freilich lässt sich nirgendwo ein Beleg dafür finden, dass – wie die Überlieferung der fünf Städte wie auch das protestantische Schrifttum behaupten – dieses Bekenntnis von 1549 oder eine Fassung der Pentapolitana jemals vom König oder vom Primas anerkannt worden sei. Guitman stellt zahlreiche Briefe aus dem Umfeld der Verhandlungen zwischen König und Städten vor, mehr als ein Hinhalten oder eine vorläufige faktische Duldung unter dem Druck der zeitgenössischen Umstände, in erster Linie der Türkenkämpfe, lässt sich jedoch nicht finden. Da die Gesetze gegen die Lutheraner nicht ausdrücklich erneuert wurden, interpretierten die Städte die Gesetze des Reichstags von 1548 zum Schutze der katholischen Religion, insbesondere GA 11/1548, gutgläubig oder geschickt als Verfolgung lediglich der Sakramentarier und Anabaptisten, zu denen sie nicht gehörten, und forderten später auch die Bestätigung der vermeintlichen Anerkennung. Ihre eigene städtische Reformation deuteten sie sogar im Sinne des Gesetzespakets von 1548 als Stärkung und Unterstützung der katholischen, nämlich rechtgläubigen Kirche. Doch gebe es keinerlei Beleg dafür, dass im frühneuzeitlichen Ungarn jemals ein von der katholischen Lehre abweichendes Bekenntnis gebilligt worden wäre. Ebenso wurden der Augsburger Religionsfrieden oder das Augsburger Interim von 1548 eben nie in die Landesgesetze aufgenommen, obwohl die städtischen Ablegaten um Letzteres ausdrücklich ersucht hatten.

Als Resümee darf festgehalten werden: ein sorgfältig belegtes und dennoch gut lesbares Buch, das ein detailreiches Mosaik von den Verhältnissen in Bartfeld, seiner Umgebung und seinen kulturellen Verflechtungen im 16. Jahrhundert zeichnet.

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